About Beauty and Brush Strokes
by Oliver Klimpel

 

A review of the new identity of Berlin's art fair ART FORUM

- currently in German only -

http://www.artnet.de/magazine/features/klimpel/klimpel09-21-07.asp

 

Das ART FORUM BERLIN modernisiert sein Erscheinungsbild

 

About Beauty and Brush Strokes

 

Grafische Erscheinungsbilder geh?ren in der Regel nicht gerade zu den Dingen, die den Volkszorn entfachen und aufgebrachte Massen mit Fackeln auf die Stra?e treiben, um Scheiterhaufen versto?ener Entw?rfe anzuz?nden. Im Juni dieses Jahres bot sich also ein eher ungewohntes Bild, als die vereinigte mediale Presse und jeder, der an das moderne Leben Londons angeschlossen war, sich ?ber den neuen Entwurf des Logos und Erscheinungsbildes der Olympischen Spiele erregte, die 2012 in der britischen Hauptstadt stattfinden sollen. Innerhalb weniger Tage waren fast 50.000 Online-Petitionen gegen den Entwurf des verhassten Logos eingegangen. Man kann dem von der bekannten Londoner Branding-Consultancy Wolff-Olins ausgearbeiteten Design zweifelsohne diverse eklatante grafische M?ngel bescheinigen. Nichtsdestotrotz l?sst sich aber in dem Entwurf vor allem eine politische Dimension ausmachen. Dabei handelt es sich um eine Politik, die durch und durch New Labour ist: eine kalkulierte, zielgruppenorientierte Marketing-Strategie, die kein populistisches Mittel scheut, so genannte unterprivilegierte Schichten zu erreichen.

 

Mit diesem liberalen Anliegen und der formalen Referenz an die vermeintliche Sprache der Stra?e und ihrer Graffiti und 'Tags' erinnert der britische Popularisierungs-Ansatz an Diskussionen der 1970er Jahre, in denen wohlmeinende Kulturmenschen in den visuell-terroristischen Einschreibungen der amerikanischen Gro?stadtjugend auf H?userw?nden eine eingesperrte k?nstlerische Ausdrucksform sahen, die nur auf ihre Befreiung und Legalisierung wartete. Inzwischen ist dieses Formenvokabular allerdings so unabweisbar mit den Markenvermittlungen von Sport- und Modefirmen verbunden, dass es kaum noch als subversive Strategie den konventionellen Kommunikations- und Warenaustausch unterbrechen k?nnte. Die Entwerfer des Londoner Olympia-Designs hatten sich ganz gezielt eines 'faux'-urbanen Stils bedient, um die Merchandise-M?rkte der Jugend anzuzapfen. Dass man von den ?blichen Verschwendungsklagen der Stammtische und den Verunglimpfungen jedweder ?ffentlicher gestalterischer Arbeit verschont bleiben w?rde, hatte wohl ohnehin niemand gehofft. Dass Grafik allerdings den resonanten Zorn so vieler provozieren konnte, ?berraschte wohl alle.

 

Diese aufgeladene Aufmerksamkeit wird dem neuen Erscheinungsbild des Berliner ART FORUM nat?rlich verwehrt bleiben, auch weil die Kunst?ffentlichkeit noch immer bescheidenere Ausma?e als die Sportwelt hat. Es h?tte so viel Augenmerk allerdings auch gar nicht verdient. Entwickelt worden ist es von dem in Berlin ans?ssigen ?sterreichischen K?nstler Gerwald Rockenschaub und dem Wiener Grafik-Designer Alexander Rendi, die gemeinsam einen 'Pitch', einen Agenturwettbewerb f?r sich entscheiden konnten. Diese Konstellation ist heute ein interessantes Kuriosum inmitten der unz?hligen Werbeagenturen, denen in Deutschland ein solcher Auftrag sonst gew?hnlich zugefallen w?re. Das historische Modell, mit dem etwa Peter Behrens w?hrend seiner Zusammenarbeit mit der AEG den K?nstler als omnipotenten Art-Director eines Industrie-Gesamtkunstwerks etabliert hatte, ist im heutigen Alltag kaum anders denn als ruhmreicher Verweis auf l?ngst vergangene Zeiten gegenw?rtig. F?r das ART FORUM aber war nun ein Team am Werk, das k?nstlerische Bildwelten und Individualt?t mit dem werblichem Know-how und der Professionalit?t des Designbetriebs kombinieren wollte. Beide Gestalter schauten bereits auf eine Vorgeschichte der grafischen Zusammenarbeit zur?ck; zudem hatte sich Rockenschaub auch schon um eine fr?here Version des Logos der Art Frankfurt verdient gemacht. Aber bringt ein solches Joint Venture auch neue Ans?tze hervor?

 

Erscheinungsbilder k?nnen meist erst in der Summe der Impressionen einen Ansatz formulieren, der sie charakterisiert. Das trifft auch auf diesen Fall zu. Das Messe-Logo selbst ist ein Layout-System aus Wortmarke, grafischem Element und bedarfsweisen typografischen Zusatzelementen, die neben weiteren Informationen vor allem einen Claim integrieren. Dieser soll, so die Verlautbarung der Messe, k?nstlerischen Inhalt in die Marke aufnehmen. 'Farbe und Slogan nehmen [j?hrlich wechselnd] Bezug auf Schlagworte in der Kunstgeschichte der letzten Jahrzehnte und schlagen eine Br?cke zu aktuellsten Str?mungen', so der Pressetext. In diesem Jahr wird das Messetreiben mit dem Claim 'About Beauty' ?berschrieben und in ein pinkfarbenes Licht getaucht.

 

Neben der Verwendung der Logo-Signatur werden die Applikationen vor allem durch eine sehr robuste Kombination von pink eingef?rbten randabfallenden Bildern mit schwarzer oder wei?er Versal-Typografie gepr?gt. In der brutalen und direkten Gegen?berstellung von Bild und Wort liegt daher die Chance des ganzen Konzepts, denn in einer solchen Beziehung lassen sich viele Ambivalenzen und kulturelle Aufladungen visueller Repr?sentation unterhaltsam behandeln.

 

Rockenschaub und Rendi allerdings haben sich f?r Bildmotive entschieden, die einem blo?en touristischen Parcours f?r das Messebesucher gleichkommen. Sie lassen ihre Bildsprache im Spektrum kontrastreicher Verfremdungen von Sehensw?rdigkeiten, Berliner Graffiti-Ruinenromantik und eher allgemeinen und inhaltlich unspezifischen Details, Gesten aus dem Messegeschehen, untergehen und verspielen so jede M?glichkeit, mehr als dekorative Platzhalter und Kapitelaufmacher zu schaffen. Mit der Entscheidung, die Idee von 'Beauty' mit Motiven einer Sinfonie der Gro?stadt zu verschalten, sind die Gestalter in ihre eigene Falle gegangen, denn in dieser Paarung wird ein spannender Diskurs um Lesbarkeit und Bedeutung auf die Frage nach den visuellen Qualifikationen eines Tourismus-Kaleidoskops verk?rzt. Dass die Motive in den Drucksachen selten die verf?hrerische Qualit?t von Sch?nheit ausloten k?nnen, mag auch an den durchg?ngig technisch unsauber abgeregelten ?berg?ngen der pinkfarbenen Hintergr?nde zum Graustufenpart des Bildes liegen. Man kann also nur hoffen, dass das potente narrative Prinzip in den Folgejahren einer inspirierteren Regie folgen darf, welche in dem delikaten Terrain zwischen Abbildung von Kunst als Verkaufsartikel, sozialer Dokumentation und symbolischer Illustration operiert darf, wie man das von einer Messe voller kritischer Gegenwartskunst erwartet.

 

In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf die Konkurrenz. Das Erscheinungsbild der Frieze Art Fair - Designkonzept von Graphic Thought Facility - wirkt wie ein leichtf??iger Kommentar zum Wanderzirkus Kunstmesse. Auch hier gab es eine integrierte fotografische Bildstrecke. Allerdings wurde dort in aufreizender Zur?ckhaltung das tempor?r vom Messezelt okkupierte Rasenst?ck des Hyde Parks vor der Ankunft der Messepilger dokumentiert. Freilich teilen sich Messen nur zum Teil ?ber die Bildsprache auf Plakaten und Anzeigen mit. Die Propaganda des Marktes braucht Insignien. Und so wird der Auftritt des Berliner ART FORUM nicht von der Bildsprache, sondern haupts?chlich durch die Anwesenheit des grafischen Zeichens bestimmt: einer Pinselspur. Ganz nach g?ngiger grafischer Praxis wird diese Pr?senz in einer Vielzahl unterschiedlicher Gr??en und Anschnitten durchexerziert.
Wie auch das Londoner Olympia-Logo versucht sich der Entwurf f?r das ART FORUM in einem Transfer aus dem Pool popkultureller Formenst?cke und endet aber in der blo?en grafischen Vignette, die oft im Sicherheitsabstand zur Typografie verharrt.

 

Charakterisiert wird diese Art der Logokonstruktion in kleinen Gr??en eher durch die Abst?nde und R?ume zwischen den Schriftzeilen und ihren anderen Elementen und verheddert sich ein wenig in ihrer typografischen Syntax. Kraftvoller werden die Pinselstriche, wenn sie gro? und angeschnitten auftauchen. Dann werden sie zu industriellen Projektionsfl?chen und Leinw?nden, die im besten Fall nicht vern?nftelnd mit typografischen Informationen haargenau ausgef?llt werden. Sollte der Berliner Entwurf neben seiner rustikalen Plakativit?t und post-expressionistischen Anleihen einen kulturpolitischen Kommentar transportieren, so muss er wohl in der Entscheidung gesehen werden, sich mit dem stilisierten Pinselstrich eines tradierten grafischen Symbols zu bedienen, aus dem man nur mit gutem Willen Ironiebereitschaft herauslesen k?nnte. Warum uns diese unpr?zise Form des Malergestus unter dem Vorzeichen einer gewerblichen Anwendung wieder neu angedient werden soll, bleibt ein R?tsel: Beobachter grafischen Designs haben dieses Klischee ertragen m?ssen, seit es Grafik gibt.

 

Die vermeintliche Chance, die sich durch den Einfluss des freien und kritikf?higen K?nstlers zu bieten schien, ist also verpufft. Tats?chlich ist hier der kommerzielle Imperativ, der hinter aller angewandten grafischen Arbeit steht, weniger in Frage gestellt worden, als man das von avancierten Design-B?ros h?tte erwarten k?nnen. Der Versuch des Spagats oder Dialogs zwischen K?nstler und Designer mag eine sympathische, weil pragmatisch-unbek?mmerte Seite haben. Das Ergebnis indes kann den Anspruch einer au?erhalb des werblichen Durchschnittsgeschmacks operierenden, durch den Musenkuss des K?nstlers beseelten Idee leider nicht erf?llen. 'Branding' im Kulturbereich ist eine delikate und spannende Situation. Allerdings nur wenn es auch eine andere Formulierung erf?hrt als Erscheinungsbilder in der Industrie. Was sich dort regelm??ig abspielt, sollte im Umfeld der Kunst Unterwanderungstaktiken provozieren, so dass Information einmal nicht zu allererst Besitz anzeigen muss und erst an zweiter Stelle informiert.

 

Die gute Nachricht: Es wird kein Aufschrei durch die Stra?en von Berlin gehen. Die Messehallen werden nicht vandalisiert werden, es sind keine erhitzten Diskussionen bei den n?chsten Galerie-Vernissagen zu bef?rchten. Man wird die grafische Sprache des Kunstforums unbemerkt an sich verbeistreifen lassen. Wir werden die n?chsten Jahre mit geringen Schmerzen ertragen und darauf spekulieren, dass beim n?chsten Anlauf der Pinsel im Atelier bleiben darf.